Sitze in der Session „e-Recruitment“. Neben mir etwa 20 Teilnehmer, die gespannt zuhören und sich durch Fragen und kurze Statements ins Geschehen einbringen. Heute morgen wusste noch niemand, dass es diesen Vortrag geben würde. Ähnlich spontan und ungeplant verläuft der gesamte Tag. Die Rede ist vom Barcamp OWL, einer sogenannten „Unkonferenz“, zu der sich heute und morgen rund 80 Web-Interessierte im Bielefelder Lenkwerk eingefunden haben.
Ein Barcamp ist kein Zeltlager. Und dennoch ist die Atmosphäre ähnlich locker und spontan wie im Sommerurlaub. Nach dem Frühstück fanden sich alle im Konferenzraum ein, es gab eine Vorstellungsrunde und dann wurden die Themen proklamiert. Als Referenten fungieren die Teilnehmer selbst – erlaubt ist, was gefällt. Die Frage „Wen interessiert mein Thema?“ wurde mit Handzeichen beantwortet und dann einem passenden Seminarraum zugeordnet. So entstand innerhalb einer halben Stunde die Agenda des heutigen Tages. Morgen wird das Prozedere sicher ähnlich sein.
„Durch die lockere, kreative Atmosphäre, fernab einer typischen Konferenz, freuen wir uns, daß sich auch Menschen ein Herz fassen etwas zum besten zu geben, die sonst eher Zuhörer sind. Das Klima bestimmt den Grad der Kreativität.“
Die Themen sind so vielfältig wie die Teilnehmer selbst. Ich habe mit „Social SEO – wie das Social Web das Google-Ranking verändert“ auch einen Beitrag eingebracht. Der Umgang mit Kunden & Fans, Social Media auf Reisen, Arbeitssuche im Social Web, Berichte von Start-ups, Einsatz neuer Webtechnologien, die Organisation eines Barcamps und und und … standen auf dem Programm. Die Vorträge reichen von ausgearbeiteten Workshops und Präsentationen bis hin zu spontanen Erfahrungsberichten. Die Teilnehmer sind nicht nur Zuhörer, sondern bringen sich mit ihren Fragen, Ideen und Anregungen aktiv ein. Manche Sessions sind wahre Crowdfunding-Plattformen, ein echter Dialog entsteht. Zwischendurch bleibt genügend Zeit für das leibliche Wohl und fürs Networking.
Die Teilnehmer sind überwiegend in der Medienbranche tätig, ein ziemlich hoher Anteil von webaffinen „Nerds“ (nicht böse gemeint) und Social Media Anwendern. Meiner Einschätzung nach sind recht wenige Unternehmen aus der Region vertreten. Dies mag am Namen oder am (für den Ostwestfalen) ungewöhnlichen Konzept liegen; dabei liegt der Reiz eines Barcamps ja vor allem in seiner Spontaneität. Gleichzeitig gewinnt ein Barcamp von der Aktivität der Teilnehmer. Für meinen Geschmack hätte es ruhig noch ein paar mehr Themen geben können. Die vorgestellten Sessions haben für die geplanten Zeitfenster genau ausgereicht – dabei haben einige Teilnehmer auch mehr als einen Vortrag eingebracht. Dennoch ist die oben beschriebene Vielfalt ausreichend und bietet in drei parallel stattfindenden Slots genügend Auswahl.
Die Teilnahme an einem Barcamp kann ich jedem nur empfehlen. Wichtig ist, seine Erwartung an eine perfekt organisierte Konferenz auf den Barcamp-Gedanken umzustellen. Wie im Web 2.0 überhaupt, lebt diese Veranstaltung vom Dialog und der aktiven Partizipation. Konsumieren, für sich bleiben, in der Ecke stehen, bringt keinen Gewinn. Nur wer selbst Teil des Barcamps wird, wird den Nutzen dieser ungewöhnlichen Veranstaltung verstehen. Vielleicht ist auch dies der Grund, dass das OWL’sche Barcamp mit den etwa 80 Teilnehmern im bundesweiten Durchschnitt noch eher mäßig besucht ist. Wir trommeln weiter!